(USA 1933)
Robert Mamoulian hat regelmäßig in seinen Filmen Themen und Stile anderer Regisseure aufgegriffen, so kann man sein Schloß im Mond auch als einen Chevalier-MacDonald-Lubitsch-Film ohne Lubitsch sehen, hier stößt er auf Dietrich-Sternberg Gebiet vor. Marlene Dietrich als freigeistige Frau, die sich aus höheren Gründen aushalten lässt, das kennen wir ja schon aus Blonde Venus, aber hier dient sie nur als Beute, Wedekinds Erdgeist[1] ist da im Hintergrund zu spüren. Doch die kleine Weise Lily (Marlene Dietrich), die in der Leihbibliothek ihrer Tante Frau Rassmusen (Alison Skipworth) dem Bildhauer Richard (Brian Aherne) ins Auge fällt, sich langsam in ihn verliebt und dann von dessen Mäzen Baron von Merzbach (Lionel Atwill) geehelicht wird ist keine Aufsteigerin. Sie wurde als Ehefrau verschachert und kann ihren Gatten nicht ausstehen. Als dieser den Bildhauer auf sein Schloss einlädt, erkennt sie, wer sie da alles verraten hat und wirft sich einem der Bediensteten (Hardie Albright) an den Hals und als infolge eines Brandes die beiden in einer kompromittierenden Situation überrascht werden, verursacht das einen Skandal und sie verschwindet wieder in der Großstadt Berlin.
Doch auch Richard hegt immer noch Gefühle für sie und findet sie nach längere Suche in einem Lokal, wo sie sich prostituiert, und nimmt sie wieder in sein Atelier um einen Neubeginn ihrer Beziehung zu wagen.
Doch Marlene Dietrich ist hier nicht die Dame aus höherer Gesellschaft, sondern ihr Charakter ist der eines kleinen polnischen Landmädchens, das streng katholisch in der großen Stadt strandet und dabei nach der großen, allumfassenden Liebe sucht, die sie im Hohelied Salomons in der Bibel gefunden hat[2]. Sie selbst wird zum Bildnis eines Ideals ihrer Selbst, dass sie am Ende eigenhändig zerstört. Für Promotionszwecke ließ das Studio über 1000 Statuen von Marlene Dietrich anfertigen, die den üblichen Verdächtigen natürlich unangenehm aufstießen, denn natürlich war die Statue, die der Bildhauer von ihr anfertige, ein klassischer Akt, und wie in Suppès Operette Die schöne Galathe ist es die Statue des Bildhauers, die ihre eigenen Wege geht und sich an den Mäzen bindet. Etwa zeitgleich mit der Bühnenfassung dieser Erzählung, auf der dieser Film basiert, schrieb auch Shaw seinen Pygmalion, der einen anderen Spin in diese Geschichte bringt, wie man an den bekannten Verfilmungen wie My fair Lady (oder auf der Bühne)[3] sehen kann.
In Deutschland wurde der Film sehr schnell verboten, da Marlene Dietrich nicht daran dachte, sich auf irgendeine Art und Weise mit dem NS-Regime gemein zumachen, sinnigerweise war sie bei den ersten Planungen überhaupt nicht für diese Rolle vorgesehen, das Studio dachte zu allererst an Nancy Carroll (hier bereits in Transatlantic Merry-Go-Round vorgestellt), dann an Miriam Hopkins, deren Ehemann aber mit dem ursprünglich geplanten Regisseur Joseph von Sternberg nicht einverstanden war, worauf man den Regisseur wechselte und dessen Hauptdarstellerin (zum ersten mal ohne diesen) verwendete.
Irgendwie ist der Film dann, vermutlich ob seiner Inkompatibilität mit dem Hayscode und der nicht Regie eines von Sternberg unter den Tisch gefallen, einzig der Song, den Marlene Dietrich im letzten Teil des Films im Lokal singt, hat sich als Standard gehalten. Hollender's Johnny gesungen von Marlene Dietrich ist regelmäßig zu hören.
[1] Diesen Stoff verfilmte G.W. Papst in seiner Büchse der Pandora und 1980ern Walerian Borowczyk mit seiner Lulu.
[2] Keinem Mensch wird dieses verkappte Liebeslied in seiner Gesamtheit absichtlich in seiner Jugend gezeigt, das muss man schon selbst entdecken. Und der blumigen Sprache versteckt sich eine durchaus eindeutige Schilderung.
[3] Die von 1937 heißt Pygmalion.
IMDB-Link: https://www.imdb.com/title/tt0024598/reference/
Die Indexierung befindet sich heir: https://verfuehrungzumfilm.wixsite.com/exkursionen/post/das-hohe-lied