Die Neun Pforten

Manchmal unterhalten sich Filme, sie kommunizieren mit anderen Filmen. Terry Prachett nannte dies in seinen Büchern L-Space[1], in der Postmoderne spricht man auch von Intertextualität. Dieser Film, eine Buchverfilmung, unterhält sich nicht nur mit Romanen von Umberto Eco, sondern auch mit zumindest einem anderen okkulten Thriller, Angel Heart. Wie in diesem hat sich der Protagonist in einem finsterem Auftrag auf eine bestimmte Suche zu machen, und wie in Orson Welles Mr Arkadin findet er sich an vorderster Front einer Mordserie. Doch hier verfolgt ihn keine Polizei, nur ein ungewöhnlicher Schutzengel mit einer eigenen Agenda begleitet ihn und breitet seine Schwingen über ihn. Was diesen Schutzengel, der ein paarmal ziemlich überraschend unheimliche Fähigkeiten aufblitzen lässt, aber wirklich antreibt, bleibt bis zum Ende des Films für den Hauptdarsteller Johnny Depp nicht durchschaubar. Ging es ihm am Anfang nur um den Auftrag, ein paar uralte Bücher eines wegen Ketzerei verbrannten Mönches zu vergleichen, zieht dieser Auftrag ihn in ein Netz von modernen Satanisten, die in den Unterschieden zwischen den einzelnen Exemplaren den wahren Weg zum modernen Übermenschen zu finden hoffen. Mit der Obsession zu Büchern steht der Autor der Vorlage natürlich in der Tradition von Umberto Eco, dessen filmische Umsetzung seines Bestsellers Der Name der Rose hier der Regisseur Roman Polanski übertrifft. Dies nimmt einen aber unschwer Wunder, da die Vorlage von Arturo Pérez-Reverte in seiner literarischen Qualität bei weitem nicht an Ecos vielschichtiges Meisterwerk herankommt. Wie es sich für jeden ordentlichen Thriller gehört, zählen natürlich Leichen zu den Ingredienzien, wie in Angel Heart bekommt nicht nur der Zuschauer den leichten Verdacht[2], dass unser Held ein Serienmörder ist, die nötige Gewaltbereitschaft und Rücksichtslosigkeit zeigt sich bei ihm ja tatsächlich, aber da ist ja noch sein Auftraggeber, der Verleger Balkan (Frank Lagella) und eine reiche, etwas unheimliche, überirdisch schöne Studentin (Emmanuelle Seigner), die immer genau dann auftaucht, wenn er sich einem weiterem Exemplar dieses Buches nähert, um seinen Auftrag durchzuführen. 

Ja, die neunte Pforte soll in einem mittelalterlichem Schloss geöffnet werden, das doch verdammt (ja, hier darf man mit vollem Recht so fluchen) nach dem Castell del Monte nach einem Großbrand erinnert [3], und wie im Namen der Rose, gibt es auch hier eine Ketzerverbrennung (eigentlich mehrere) und der Held sitzt am Ende der Geschichte allein da. Der Film ist eine typische europäische Großproduktion, der Regisseur ist Pole und darf aus bekannten Gründen nur bestimmte Länder betreten, der Hauptdarsteller und die meisten wichtigen Nebendarsteller sind Amerikaner, die Hauptdarstellerin (und Gattin des Regisseurs) ist Französin, und der Rest Europäer, gedreht wurde auf Englisch. Ob die Hauptdarstellerin nun das Licht bringt, oder den Helden nur in Versuchung führt und als zu leicht befindet, ist ein Punkt, über den man bei diesem Film sehr gut diskutieren kann.

[1] der anscheinend genauso wie von ihm geschildert existiert, anders kann ich mir das Verschwinden und das Wiederauftauchen eines Buches in meiner Privatbibliothek nicht erklären; ein Marinegeschichtlicher Band tauchte hinter Romanen von Dumas und Aufsätzen von Bazin neben Bänden aus dem Militärverlag der DDR (sowie Prachett/Gaiman) wieder auf. Dafür vermisse ich drei Prachetts noch immer. 

[2] Seit Agatha Christies Roman Alibi ist dies ja nichts mehr sonderlich ungewöhnliches. 

[3] Das Castell del Monte diente Umberto Eco als Vorbild für die fiktive Bibliothek seines Klosters im Namen der Rose – Intertextualität, Borges hätte seine Freude gehabt.

IMDB-Link: https://www.imdb.com/title/tt0142688/reference/

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