Chronik einer Liebe

(Italien 1950) 

Wie steigt man erfolgreich in das Langfilmgeschäft ein, wenn man bislang nur kurze Dokumentarfilme gedreht hat? Für Michelangelo Antonioni war es klar, dass man dazu einen erfolgreichen amerikanischen Krimi über einen Landstreicher, in den sich die Gattin eines Tankstellenbesitzers verliebt, in die bessere Italienische Nachkriegsgesellschaft verlegt. Auch in Italien „klingelt“ der Postbote zweimal an der Kinokasse[1]. 

Hatte der Herzogsohn Visconti den Stoff 1943, sehr zum Missfallen der damaligen faschistischen Regierung in seinem Film Besessenheit in die Unterschicht gelegt, spielt der Film hier in der Oberschicht eines aufstrebenden Italiens. Gut, der Liebhaber ist jetzt der verkrachter Autohändler Guido (Massimo Girotti)[2], und die Industriellengattin ist seine alte Schulfreundin, mit der zusammen er den Tod einer weiteren Schulfreundin nicht, um es freundlich auszudrücken, verhindert hat. Und Antonioni wäre nicht Antonioni, würde er diese gradlinige Geschichte so gerade erzählen. 

Nein, er erzählt sie auf Umwegen, so dass man erst gar nicht merkt, dass es diese Geschichte ist. Ein Detektiv (Gino Rossi) bekommt von einem Industriellen (Ferdinado Sarmi) den Auftrag herauszufinden, warum sich seine Frau Paola (Lucia Bosè) plötzlich so anders verhält, natürlich vermutet er eine Affäre, nachdem er alte Photos seiner Gattin gefunden hat, aus einer Zeit, als er sie noch gar nicht kannte und wie es der Teufel will, löst er mit den Ermittlungen erst die Affäre aus, die es bis dahin noch nicht gegeben hat. Denn erst die Fragen des Detektivs sorgen dafür, dass sich das zukünftige Liebespaar nach sieben Jahren wieder begegnet, denn damals starb ihre Freundin bei einem tragischen Unfall, einem Sturz in einem Fahrstuhlschaft durch eine offene Fahrstuhltüre, vor den Augen ihres Verlobten, Guido. 

Die beiden befürchten bei dem Detektiv handele es sich um einen Polizisten, der die Vorgänge aus dem Jahre 1943 untersucht, und ja, der Detektiv vermutet ein Verbrechen, weswegen sich Paola verfolgt fühlt, denn sie floh nur zwei Tage später aus ihrer Heimatstadt um dann in Mailand ihrem zukünftigen Gatten über den Weg zu laufen. Durch die Wiederbegegnung mit Guido realisiert sie wie wenig sie für ihren Gatten empfindet und in ihr erwacht der Gedanke, wie sie ihn denn am besten beseitigen könne. Doch im Gegensatz zur Vorlage kommt es nicht zum Verbrechen, weil ihr Gatte kurz vor der geplanten Ermordung durch Guido bei einem banalem Verkehrsunfall stirbt. Das Paar hat sein zweites Verbrechen vollbracht ohne tatsächlich eine justitiable Tat begangen zu haben. 

Antonioni schaut auf die Personen in ihrer Umwelt, Industrieanlagen lassen einen bereits seine Rote  Wüste erahnen, die Frauen verhalten sich zueinander wie in den Freundinnen und Seelenzustände spiegeln sich darin, wie er die Architektur in seinen Bildern verwendet. Ob nun ein Verbrechen vorliegt, das nimmt natürlch auch Blow Up vorweg. Das Nichtbeobachtetwerdenwollen des Liebespaares kennen wir natürlich auch aus Double Indemnity, was nur ein paar Jahre zuvor die Leinwände errreichte. In Italien zählt dieser Film zu den 100 besten, die dort gedreht wurden.

Lucia Bosè drehte noch einen weiteren Film mit Antonioni, nur um sich dann 1955 nach einer Heirat mit einem spanischem Stierkämpfer aus dem Filmgeschäft zurückzuziehen. Erst lange nach einer Scheidung kehrte sie Anfang der 1970er dahin zurück um bis in die 1990er eine gefragte Schauspielern zu bleiben.

[1] Um exakt zu sein, James M. Cains Vorlage Wenn der Postmann zweimal klingelt wurde zuerst 1939 in Frankreich verfilmt, dann 1943 in Italienund 1946 in den USA aber was tut mn nicht alles für eine Anspielung. Immerhin hieß die 1946er Verfilmung in Deutschland Im Netz der Leidenschaft, Deutschen Verleihern (und Verlegern) fehlt häufig der Mut zu kryptischeren Titeln. Je banaler, desto besser. 

[2] Sinnigerweise spielte er auch den Part des Landstreicers in Viscontis Bessessenheit. Talk about type casting.

IMDB-Link: https://www.imdb.com/title/tt0042355/

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