(Spanien 1936)
Gedreht Wochen bevor der spanische Bürgerkrieg ausbrach, schaffte der Film es erst in den 1990ern in einer Rohfassung in die Kinos, einzelne Szenen fehlen noch, ein paar Schnitte sind noch holprig, aber was macht das schon.
Die Straßenszenen sind in Madrid gedreht, und die Hauptdarstellerin hat keine Ahnung, wie sie vor der Kamera agieren soll, aber was macht das schon, wenn sie als echte Zirkusdarstellerin die dritte Raubkatze bei der Löwendressur ist.
Habe ich schon erwähnt, dass sie dabei, abgesehen von einem kleinen Stoffdreieck über ihrer Scham und ein paar Sandalen völlig unbekleidet ist. Kein Wunder, dass dieser Film unter Franco nie in die Kinos gekommen ist. Frankreich und Italien waren da ja viel lockerer und nicht so verklemmt wie heutige Neopuritaner.
Nun, worum geht es in diesem Film? Ein Straßenjunge wird von einem Boxer (Pablo Álvarez Rubio) „adoptiert“, aber der verpasst am nächsten Tag mit seinem Trainer (Alfredo Corcuera) den Zug zum nächsten Boxkampf, ertappt die Gattin (Tina de Jarque) bei einem Seitensprung mit ihrem Bühnenpartner, verliert den Kampf und lernt dann eine Zirkusartistin (Marlène Grey) kennen, die als weibliche Raubkatze mit echten auftritt, und eben nicht das von Smetana besungene Schmeichelkätzchen aber auch nicht dem Circus der Vampire entsprungen ist. Dass das nicht das einzige Chaos ist, welches da in den Beziehungen auf das Publikum losgelassen worden ist, dazu war der Regisseur Armand Guerra zu sehr Anarchist. Auch wenn der Film produktionsbedingt Löcher in der Handlung hat, und das, was wir heute zu sehen bekommen, eigentlich noch nicht mal ein Rohschnitt ist und entsprechend noch ein paar Straffungen gebrauchen könnte, hat er in den Charakterisierungen seiner Figuren genügend Witz und Charme. Wie sich die Zirkusartistin Marlene ihre Umgebung dressiert hat ist sehenswert.
Interessant ist, wie die soziale Klasse des Boxers geschildert wird, Wagen, Wohnung mit Personal (Köchin) ist prinzipell kleinbürgerlich, der Straßenjunge vertritt proletarische Werte, für ihn ist auch eine Zigarettenkippe wertvoll, doch er ist die Stimme der Vernunft[1] in Beziehungsfragen und auch eine große Hilfe, wenn es darum geht, einen Übeltäter dank seiner Zigarettenkippen zu überführen.
Ein wenig schimmert das Wonder Bar durch, doch hier stirbt niemand und am Ende hat der Straßenjunge eine ganze Familie, inklusive Onkel.
Armand Guerra fiehl zwar nicht dem Spanischen Bürgerkrieg zum Opfer, überlebte ihn aber dennoch nicht, da er 1939 in Paris einem Aneurysma erlag. Tina de Jarque wurde 1937 standrechtlich erschossen, als sie in in republikanisch kontrolliertes Gebiet fliehen wollte und Marlène Grey fiel 1939 in Marseille einem ihrer Löwen zum Opfer. Wer den Straßenjungen gespielt hat, ist leider nicht bekannt.
[1] Ob das an seiner Klasse oder einfach nur an seinem Alter liegt, bleibt im Vergleich mit mit der kleinen Schwester in Preston Sturges The Miracle of Morgan's Creek mehr als fraglich.
IMDB-Link: https://www.imdb.com/title/tt0027424/reference/
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