(USA 1929)
Anfang 1929 war der Tonfilm hauptsächlich noch ein Spektakel für die Massen, weswegen man natürlich alles auffuhr, was das Publikum überwältigen konnte – Massenszenen, Farbe und Gesang, immerhin machten die Produzenten man mit Musicals am Broadway ja auch einen satten Gewinn, und erfolgreiche Produktionen tourten, wenn auch meistens ohne die großen Bühnenstars, die anderen großen Städte der Ostküste. Warum nicht auch diese Produktionen demokratisieren und sie auch in Kleinstädten überall im Lande auf die Leinwand bringen?
Dieser Film ist einer der ersten Versuche dies zu bewerkstelligen und man merkt es diesem Film an, dass er eigentlich nichts anderes als eine abgefilmte Bühnenproduktion ist, auch wenn extra für ihn Warner Brothers eine brandneue 60 mal 90 Meter große Soundstage in Hollywood gebaut hat, auf der es möglich war, einen ganzen Reitertrupp über einen Wüstenpass reiten zu lassen.
Die Vorlage war ein äußerst erfolgreiches Musical des Komponisten Sigmund Romberg und der Texter Otto Harbach II und Oscar Hammerstein, das in seiner ersten Produktion 471 Mal gegeben wurde und nun ziemlich genau in dieser Form, wenn auch mit einer anderen Besetzung auf Zelluloid und Vitaphone-Platten[1].
Das Stück behandelte einen damals relativ aktuellen Kolonialkrieg, den Frankreich und Spanien in Nordafrika gegen indigene Berber in der Rif-Region des nördlichen Marokko führten. Da man aber einen Krieg schlecht für die Bühne bearbeiten kann[2], verwendete man den natürlich nur als Hintergrund für einen Vater-Sohn-Konflikt und eine Dreiecksgeschichte um eine Frau und zwei Männer (alle natürlich Franzosen), die sich aber am Ende in einem Happyend auflösen.
Nebenbei bemerkt – auch von Sternbergs Marokko mit Marlene Dietrich verwendet diesen bei allen beteiligten Europäern unpopulären Krieg als Hintergrund. Und ja, natürlich haben die Berber trotz anfänglicher Erfolge den zahlenmäßig und technologisch (Panzer, Flugzeuge, Giftgas) Franzosen nichts entgegensetzen können und einen Friedensvertrag unterschrieben, nicht aber ohne zuvor eine Spanische Regierung gestürzt zu haben.
Dass der Stummfilm gerade erst zu Grabe getragen wird, merkt man daran, das die Exposition, die der Theaterbesucher entweder aus der Vorankündigung oder dem Programm entnehmen kann, hier dem Zuschauer erstmal als Zwischentitel vorgesetzt wird, und wie es sich für ein „sophisticated“ New Yorker Publikum gehört, wird diesem auch gleich seine Identifikationsfigur vorgesetzt, ein Amerikanischer Journalist (Johnny Arthur), der eine Story über die Underdogs in diesem Konflikt schreiben möchte, die aufständischen Berber, die unter der Führung des geheimnisvollen Roten Schattens (John Boles) mit Erfolg gegen die örtliche französische Arme unter der Führung General Birbeau (Edward Martindel) agiert. Was aber keiner weiß ist, dass Birbeaus Sohn und der Rote Schatten eine Person ist. Der General hält nicht viel von seinem Sohn und will, dass seine seine rechte Hand Hauptmann Fontaine (John Miljan) die Französin Margot (Charlotta King) heiratet, auf die sein Sohn ein Auge geworfen hat. Als Roter Schatten hat der aber auch eine Verehrerin, die Berberin Azuri (Myrna Loy).
Der Film war ein Erfolg, gerade weil er etwas neues war, allerdings kam er, wohl wegen seiner Ostküstenhaltung und seiner technischen Schwächen – wenn man ihn mit einem anderen äußerst Erfolgreichen Musical aus diesem Jahr, Rio Rita, vergleicht, welches sogar den selben Hauptdarsteller hat, ist dies trotz der extrem kurzen Drehzeit des letzteren, an den statischen Kameraeinstellungen deutlich bemerkbar. Dies dürfte der Hauptgrund gewesen sein, warum dieser Film keine Neuauswertung erfuhr, nicht nur aufgrund der sehr modernen Sexualmoral, die nach dem in Kraft treten des Productioncodes dem einfachen bibelfesten hinterwäldlerischen US-Publikum nicht mehr vermittelbar war. Myrna Loy, hier noch in ihrer frühen „exotischen“ Karrierephase[3] ist als Azuri jedenfalls eine Augenweide.
[1] Das Ursprüngliche Tonfilmverfahren, bei dem der Ton auf einer mit der Kamera mechanisch gekoppelten 40 Zentimeter durchmessenden Schallplatte aufgezeichnet wurde, und mit einem genauso funktionierendem Projektor wiedergegeben werden konnte. Die Komplexität dieses Verfahrens beim Abmischen des Tones und die Probleme bei der Wiedergabe, wenn es zu einem Filmriss gekommen war (man denke nur an Du sollst mein Glücksstern sein, die dort bei der Filmpremiere auftretenden Synchronisationsprobleme waren leider nicht zu seltene Realität) führten aber dazu, dass das von anderen Studios eingeführte Lichtton verfahren sich durchgesetzt hat und bis zum Eintreffen digitaler Produktionen auch für Kinos im 21. Jahrhundert zum de facto Aussterben eines ganzen Berufszweiges, des Filmvorführers, geführt hat.
[2] Man kann es, wie Richard Attenborough es 1969 mit Oh, What a Lovely War, gezeigt hat.
[3] Zu diesem Aspekt ihrer Karriere empfehle ich meine Artikel zu Der Dünne Mann und Liebeslied der Wüste.
IMDB-Link: https://www.imdb.com/title/tt0019813/reference/
Die Indexierung befindet sich hier: https://verfuehrungzumfilm.wixsite.com/exkursionen/post/the-dessert-song