Schtonk!

(Deutschland 1992) 

"Das gibt’s nur einmal, das kommt nie wieder" tönt es aus dem Lautsprecher als der schmierige Reporter Hermann Willié (Götz George) seinen größten Coup feiert, die Präsentation der von ihm gefundenen Hitlertagebücher und im Gegensatz zum akustischem Vorbild mit seiner langen Plansequenz aus Der Kongress tanzt eines Erik Charells scheidet Regisseur Helmut Dietl wild durch die Reporter und Reaktionskollegen um die ausufernde Freude Willié – auf den Akzent auf dem „e“ legt er wert – zu präsentieren, dass ihm nur ein paar Minuten  sein Freund Kummer (Harald Juhnke) ein Gutachten des BKA um die Ohren hauen wird, dass er da auf eine relativ primitive Fälschung eines abgewirtschafteten Kunstmalers (und Kunstfälscher) namens Fritz Knobel (Uwe Ochsenknecht) reingefallen ist scheint ihn dann aber auch nicht weiter zu stören – jetzt kann er immerhin noch einen lebenden Adolf Hitler in Südamerika suchen. 

Ja, dieser Film ist eine Farce und ein Gesellschaftsbild der 1980er in Westdeutschland, und, das ist die bittere Tragik, dass die Realität um die gefälschten Hitlertagebücher, die den Stern sein journalistisches Renommee kosteten, noch komischere Szenen enthielt, die Dietl und seinen Co-Autor Ulrich Limmer nicht ins Drehbuch aufzunehmen wagten, weil sie vom Publikum als absolut unglaubwürdig angesehen worden wären.

 Hitler ist immer noch ein Faszinosum und in den 1970ern und 1980ern liefen noch genügend Menschen durch die Gegend, die selbst noch unter seinen "Zauber" gefallen waren und im Grunde ihres Hetzens ihn immer noch ob seiner "Größe" verehrten. 

Aber, die Welt will betrogen werden, heißt es und seit dem Ende der 13 Jahre des Schreckens des Tausendjährigen Reiches wollen Menschen ein Andenken daran, sei es um zu zeigen, dass sie es besiegt haben [1], sei es als Erinnerung dass es, zum Glück oder leider – je nach politischer Einstellung – Geschichte ist. 

Also muss man den Bedarf der Nachfrage decken, etwas was Knobel bereits als Jugendlicher beherzigte, dass er dann bei einem seiner Kunden, dem er gerade einen "echten“ Hitler (einen Akt von "Eva Braun“) verkauft dann nicht nur einem Altnazi, der sich noch daran erinnert wie dieser das Gemälde hinter dem Berghof gemalt hat, Kobels Modell war die Kellnerin Martha (Dagmar Manzel) mit der er sehr zum Unwillen seiner Frau Biggi (Veronica Ferres) eine Affaire hat, und Willié begegnet, eröffnet den Weg in den Wahnsinn: aus der Fälschung eines einzelnen Bandes angeblicher Hitlertagebücher wird eine gesamte Sammlung, inklusive einer Provenienz derselben. 

Und ja, es kann einen in den Wahnsinn treiben, wenn man die ganze Zeit sich Banalitäten aus den Fingern saugen muss, weil man Bücher verkauft hat, die man noch gar nicht geschrieben hat. Ochsenknecht spielt die Hauptrolle in diesem Künstlerroman, der mit seiner Figur im Wahnsinn beinahe verschmilzt – herrlich das optische Verschmelzen dank eines mit Tinte verdreckten Taschentuchs – dem es dann doch noch gelingt erfolgreich im benachbartem Österreich unterzutauchen, ganz im Gegensatz zum charismatischen George, der mit seiner Göring-Yacht nach Südamerika aufbricht. 

Auch wenn dem Publikum völlig klar ist, dass die Zeitung, die dem Schwindel aufgessenen ist der Stern war, wird dieser Name wie alle anderen auch kein einziges mal genannt, aber jeder weiß, wer oder was sich hinter HHPress verbirgt [2]. 

Und ja, kleiner Besetzungsgag am Rande: Götz George ist der Sohn des Schauspielers Heinrich George, dessen Filme wie Schmutziges Geld hier schon besprochen wurden und der als einer der „Großschauspieler“ des Dritten Reiches galt. Der Titel Schtonk! bezieht sich natürlich auf Chaplins Der Große Diktator. Es ist das was man von Chaplins Hitlerreden als einziges versteht. 

Dass überall noch der Ungeist jener 1000 Jahre zu finden ist und auch alle die dagegen kämpfen sich immer noch von diesem (auch angeekelt) begeistern lassen, ist immer noch der Fall, wenn man nur einen Blick auf das Fernsehprogramm oder youtube (abseits von Katzenbildern und Challenges) wirft, macht den Anfang dieses Filmes fast schon prophetisch. Nein, der Führer brennt nicht; man kann die Erinnerung an ihn und seine Verbrechen nicht verbannen und wie eine alte Uniform abstreifen.

[1] Die amerikanische Veteranen Organisation hielt vor einem halben Jahrhundert mal irgendwo einen Wettbewerb ab, wer denn nun das Größte und das kleinste Souvenier aus Deutschland mitgebracht habe – die Siegerobjekte waren ein Kragenspiegel einer SS-Uniform und eine Kriegsbraut. 

[2] Falls nicht, man kann es jederzeit in der Wikipedia nachschlagen: https://de.wikipedia.org/wiki/Schtonk!#Hintergr%C3%BCnde


IMDB Link: 
https://www.imdb.com/title/tt0105328/reference/

Die Indexierung befindet sich hier: https://verfuehrungzumfilm.wixsite.com/exkursionen/post/schtonk

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