
(USA 1915)
Das erste Opfer eines Krieges ist die Wahrheit. Diese wird immer durch die Propaganda ersetzt, was es den Außenstehenden schwer macht zu erkennen, was nun wirklich geschehen ist und was die Kriegsparteien als Realität zu ihren Gunsten verkaufen möchten. Im Sommer 1914 schlitterte Europa in einen großen Krieg und jenseits des Atlantiks sah man mit leichtem Grausen neugierig zu und wunderte sich, warum dieser Krieg nicht wie erhofft nach ein paar Monaten wieder vorbei war. Als Neutraler konnte man ja Presse herüberschicken, wie es dem Kriegsberichterstatter Wilbur H. Durborough[1] und seinem Kameramann Ray Ries neben anderen Presseleuten widerfuhr.
Über die Niederlande war eine Einreise möglich, und das deutsche Militär nahm sich dieser Korrespondenten an, es wusste ja, dass es in den USA genügend deutschstämmige Bewohner gab, die den Mittelmächten prinzipiell positiv gegenüber standen. Deswegen sandte man sie nach Osten, wo die Front noch nicht so festgefahren war wie im Westen. Nach einen Blick auf Berlin, mit einem Schwerpunkt auf die sich dort noch aufhaltenden Amerikaner der Oberschicht, darunter auch eine Friedensaktivistin[2], und das deutsche Kaiserhaus, ein paar Blicken auf Kriegsgefangenenlager für Briten, Franzosen und Russen ging es dann nach Ostpreußen, wo gerade die zaristischen Heere aus dem Gebiet um die Masuren vertreiben worden waren und war mit dem Tross der 9. Armee Richtung Warschau dabei, dass dann am 5. August 1915 in deutsche Hand fiel. Darauf schließt sich dann noch die Eroberung der Festung Molin an, bei der Durborough nach eigenen Angaben auch noch unter russischen Schrapnelbeschuß geriet.
Ein Vorteil hat die Neutralität, nach einem Ausgiebingen Blick auf die Folgen für die örtliche Zivilbevölkerung, die nach einer Flucht wieder in ihre zerstörte Heimtdörfer zurück kehrt, können die Reporter wieder die Heimreise in die neutralen USA antreten.

Ja, er gibt an, dass er vom deutschen Militär zensiert wurde, manche Einstellungen wirken, als wären sie auf provisorischen Truppenübungsplätzen im Hinterland der Front gedreht worden und vor allem, die Westfront wird absolut ignoriert und die Lusitania, die während der Entstehungszeit dieses Filmes versenkt wurde, spielt absolut keine Rolle. Entsprechen wirkt das Bildmaterial aus den Kampfgebieten ungewohnt, man sieht zwar auch Stacheldrahtverhaue von überwundenen Feldbefestigungen und Truppen biwakieren in Wäldern aber der Schützengraben ist noch kein „Wohnzimmer“ von dem man über Monate mit dem Nachbarn Geschosse austauscht. Irgendwie wirkt das ganze noch ähnlich dem, was man sich in dem Vorkriegsfilm Verflucht sei der Krieg vorgestellt hat. An der Ostfront war der Krieg viel mobiler als im Westen, entsprechen ziehen hier noch Ulanen in den eroberten Städten ein, die gegen Maschinengewehre eingesetzt, von diesen in kürzester Zeit niedergemäht worden wären.
Mit dem Kriegseintritt der USA 1917 wurde dieser Film verboten und eine Kopie fand sich erst 2015 in der Library of Congress. Das Vereinigte Königreich hatte dank Hollywood die bessere Geschichte mit durch den bösen Deutschen ermordete Kleinkinder erzählt, da zählten zerstörte Städte durch praktizierende Antisemiten halt nicht[3].
Alles in allem ist dieser Film ein Bericht im Stile klassischer Kriegsreporter des 19. Jahrhunderts wie Winston Churchill und Friedrich Engels.Und ja, wie von ihm befürchtet war der Rückzug der zaristischen Truppen aus diesem Teil Russischpolens final. Und für den, der sich wundert, warum da nur Pickelhauben zu sehen sind, der Stahlhelm als schrapnellsicher Kopfbedeckung wurde erst 1916 als standortgebundene Sonderausstattung eingeführt.

[1] Als Photojournalist hatte er bereits den 1912 Präsidentschaftswahlkampf in den USA für die Hearst-Presse begleitet, genauso wie den amerikanischen Einsatz in Mexiko unter General Pershing.
[2] Die Namen, die damals als dem Publikum bekannt angesehen wurden, werden nicht weiter erklärt.
[3] Auf welcher Seite man in den Krieg eintreten sollte war in den migrantisch geprägten Städten umstritten. Solle man wirklich die Leute unterstützen, die einen aus der Heimat mit Waffengewalt verjagt hatten war eine schwierige Frage – Ungarn hat sie verloren.

IMdB-Link: https://www.imdb.com/title/tt0005831/reference/
Die Indexierung befindet sich hier: https://verfuehrungzumfilm.wixsite.com/exkursionen/post/on-the-firing-line-with-the-germans