
(UK 1985)
1986 war das Jahr des Halleyschen Kometen, auch wenn der sich dann als nicht so eindrucksvoll wie 1910 entpuppen sollte – das taten dann Hyakutake 1996 und Hale-Bopp[1] 1997, entsprechend wurde das auch in den Medien gefeiert. Und das heiß natürlich auch, dass er ein guter Filmstoff war. Die Canon Group unter den Golan Brüdern, bekannt für das Aufkaufen von billigen Drehbüchern, die dann in erfolgreiche Actionfilme verwandelt wurden, sahen hier eine Chance, sie waren ja nicht auf Actionfilme mit Stars wie Charles Bronson oder Chuck Norris abonniert, Cassavetes Wege der Liebe gewann 1984 den Goldenen Bären, warum sollten sie nicht Colin Wilsons SF-Roman The Space Vampiers verfilmen. Auch wenn dieser Film an der Kinokasse floppte, heißt das nicht das es sich um einen schlechten Film handelt, im Gegenteil, er entwickelte sich zum Kultfilm. Die Regie übertrugen sie Tobe Hooper, der mit dem Horrorklassiker Blutgericht in Texas berühmt geworden war und hauptsächlich Horrorfilme gedreht hat.
Der Film ist eine kuriose Mischung aus einem Vampirfilm und einem SF-Film. Ein britisches Space Shuttle unterwegs im Auftrag der ESA soll zum Halleyschen Kometen fliegen und entdeckt ein seltsames, wie von Giger entworfenes, hundert kilometerlanges außerirdisches Kilometerlanges Raumschiff. Wer da nicht an Arthur C. Clarkes Rendezvous mit Rama denken muss, hat von SF wenig Ahnung[2]. Die Besatzung des Schuttles macht im Raumschiff eine Entdeckung – dehydrierte Leichname menschengroßer fledermausähnlicher Wesen mit einem Raubtiergebiss, sowie durchsichtige Säge, in denen sich menschenähnliche Wesen befinden.

Drei von denen sollen neben einer vertrockneten Fledermaus zur Erde gebracht werden. Doch dann bricht der Kontakt zum Shuttle ab und auf der Erde in London fragen sich die Verantwortlichen, was den an Bord vorgefallen ist. Von einem anderen Space Shuttle, man merkt, dass dieser Film vor der Challenger Katastrophe gedreht wurde, wird das im Orbit taumelnde britische Shuttle geentert und man sieht die Folgen einer Brandkatastrophe, verbrannte Menschen, verkohlte Verkleidungen und drei „Glassärge“ mit unberührten Menschen, darunter auch die wunderschöne, splitterfasernackte junge Frau (Mathilda May), die das Flammeninferno absolut unbeschadet überstanden hat. Überlebende der Besatzung findet man nicht, allerdings fehlt die Rettungskapsel. Die Glassärge als auch die noch brauchbaren Datenbänder werden zur Auswertung nach London gebracht, doch in den Räumlichkeiten beginnt dann das Chaos, die Außerirdische erwacht, küsst den Wächter, der sie überwacht und entzieht ihm die Lebenskraft, englisch Lifeforce, und verwandelt ihn in eine verdorrte Leiche und verlässt, weitere Leichen zurücklassend und alle Glasscheiben zersplittern lassend das Gebäude.

Dem wissenschaftlichen Leiter Dr. Hans Fallada (Frank Finlay) mit dem Spezialgebiet postmortales Leben stellt sich Oberst Caine (Peter Firth) vom SAS beiseite. Eine weitere Dörrleiche wird gefunden und der Spaceshuttlekommandant Carlsen (Steve Railsback) landet in der Rettungskapsel in Texas. Er, der die Außerirdische in dem über 100 Kilometer langen Raumschiff entdeckt hat, ist mit ihr irgendwie geistig verbunden, denn ihr Aussehen und ihr Wissen über die Menschen stammt aus seinen Gedanken. Und ihm und seinen Mittstreitern ist klar, dass diese Lebensform sich wie Vampire vom menschlichen Leben ernähren. Blut mag zwar ein ganz besondere Saft sein, aber die Lebenskraft ist bei weitem besser. Es gelingt Carlsen und Caine zwar die geflohene Außerirdische in ihrem Versteck, dem Leiter einer forensischen Psychiatrie Dr. Armstrong (Patrick Stewart)[3] aufzuspüren ohne mehr als einen Staatssekretär in einem poltergeistähnlichem Ausbruch – der Leuchter an der Zimmerdecke ist ein wunderbarer Indikator des Unheils – ums Leben kommt, doch bereits auf dem Rückweg nach London erfahren sie, dass da eine Seuche ausgebrochen ist und Zombiehorden durch London toben.

Fallada hat zwar herausgefunden, wie diese Wesen, die er für den Ursprung des Vampiermythos hält, getötet werden können, doch auch er ist irgendwie zum Zombie geworden. Carlsen und Caine gelingt es jedenfalls in letzter Sekunde die beiden noch aktiven Wesen zu töten, Carlsen penetriert dabei in koitualem Zauber das Wesen seiner Träume und die beiden fahren zusammen in energetischer Form zu dem Raumschiff, was daraufhin seine Position über London verlässt und mit zusammengefaltetem Sammelschirm wieder Kurs auf den Halleyschen Kometen nimmt. So kann man Fly me to the Moon nähmlich auch verstehen.

Die Story ist ein wildes Hodgpodge von allen möglichen Tropen, Sciencefiction mit Raumschiffen, die nicht zu weit weg von der Technik der 1980er waren, seltsamen Antrieben, die für eine konstante Gravitation von 1 g an Bord des Schuttels sorgen, was ziemlich viel Geld bei der Produktion gespart hat, eine SF-Ästhetik die sich doch deutlich von Star Wars, 2001 und Alien abgrenzt, aber deutliche Anleihen beim britischem SF-Film der 1960er wie Das grüne Blut der Dämonen (Quatermass and the Pit) nimmt. Der gestaldwandelnde Gegner, den kennen wir doch auch aus das Ding aus einer anderen Welt, den John Carpenter erst zwei Jahre zuvor in die Kinos gebracht hat und das brennende London, mit einer beschädigten St. Pauls Cathedral, das ist ein deutlicher Hinweis auf den Kriegsfilm, nicht umsonst wird im Film explizit auf den Blitz (die Bombardierung durch die deutsche Luftwaffe von 1940 bis 1944) verwiesen und irgendwie macht es als Zuschauer Spaß, dass einmal nicht New York für ein derartiges Spektakel herhalten muss. Zwar ist das Shuttle eindeutig ein US-Produkt, aber eigentlich alle Uniformen sind britisch.Dass dieser Film wie alle Vampirfilme natürlich christlich geprägt ist, das ist im Land, wo Dracula erfunden worden war und in den 1960ern das Hammer Studio dieses Genre entscheidend geprägt hat, natürlich kein Wunder. Dass das weibliche Vampir splitterfasernackt agiert, ist natürlich ein deutlicher Verweis auf Hammers Karnstein-Triologie, Nur Vampire küssen blutig , Gruft der Vampire und Circus der Vampire.

Für Mathilda May war diese Rolle der Durchbruch, allerdings beschränkte sich ihre Arbeit hauptsächlich auf französiche Produktionen.Vielleicht war es die zu konvolutete Handlung, das schäbige Aussehen der britischen Büros und für den mehr puritanischen US-Markt zu viel weibliche Haut, dass der Film, in den USA lief er um eine viertel Stunde gekürzt mit einem neuen Score, kein sonderlicher Kassenerfolg wurde, aber mit seinen Bildern hinterlässt er immer noch einen gewaltigen Eindruck, so dass er heute im frühen 21. Jahrhundert als Kultfilm zählt.

[1] Ob der Entdecker mit dem Schauspieler Alan Hale (bei Warner Brothers in den 1940ern unter Vertrag) verwandt ist?
[2] Nicht umsonst gibt es da diesen einen US-Astronomen, der bei jedem extrasolarem Kometen, der entdeckt wird seinen persönlichen Invasionsalarm auslöst. Entweder extraterrestrische Besucher sind schon da, dann haben sie eine hoch überlegene Technik, anders sein die UFOs nicht zu erklären, die auch das Militär erstaunen, oder sie sind einfach nur neugierig und haben Nachschubwege, für die sie Jahrzehnte, wenn nicht sogar Jahrtausende benötigen. In beiden Fällen droht uns wirklich keine Gefahr. Und ja, dann gibt es natürlich auch noch diese Studie: https://www.spiegel.de/wissenschaft/weltall/beatriz-villarroel-schwedische-forscherin-glaubt-hinweise-auf-alien-sonden-zu-haben-a-85f277ec-cccc-4cf1-89cd-f71c213758a1
[3] Nicht sein erster Ausflug ins SF-Genre, ihm Jahr zuvor spielte er ja bereits unter Lynch in Dune.

IMDB-Link: https://www.imdb.com/title/tt0089489/reference/
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