(Frankreich/Japan 1981)
Bereits in der Unterstufe (6. Klasse) habe ich gewusst, dass es da so ein Buch gibt, dass für Jugendliche definitiv nicht geeignet ist und ob dessen Inhalt besser auch nicht in deren Gegenwart groß erwähnt werden sollte. Nein, es ging nicht um de Sade oder Sacher-Masow, sondern um Die Geschichte der O[1]. Gelesen habe ich die Werke der Autorin Anne Desclos im Gegensatz zu den beiden anderen noch nicht, aber ich weiß ziemlich genau bei welcher meiner Bekannten dieses Werk zu finden seien dürfte[2], aber auch in diesem Film begegnet uns die gleiche Hauptfigur O. mit all ihrer Unterwürfigkeit und Lust am Erniedrigtwerden. Wer mit diesem Thema seine Probleme hat, der sei hiermit gewarnt und lese nicht weiter.
Bei diesem Film handelt es sich um die Verfilmung der Fortsetzung von der gleichen Autorin, für die der japanische Dramatiker und Kultregisseur Shuji Terayama die Regie übernahm. Mit seinem Experimentalfilm Emperor Tomato Ketchup hatte er transgressiv schon für einen Skandal gesorgt, hier konnte er mit einem Schauspieler arbeiten, der auch für sein genialisches Schauspiel und seinen übergroßen Charakter berühmt und berüchtigt war, Klaus Kinski, der als der sadistische Sir Stephan das Ideal der masochistischen O (Isabelle Illiers) ist, die sich maximal von ihm demütigen lässt Nicht nur, dass er sie in ein Bordell in Hongkong der Zwischenkriegszeit sperrt, in dem sich japanische Offiziere mit Europäerinnen und eleganten Chinesinnen vergnügen und dabei auch ihre masochistischen Züge ausleben lassen, sondern er hat auch noch eine weitere Gespielin, Nathalie (Arielle Dombasle), mit der er vor O's Augen Sex hat. Ja, wir bewegen uns hier auf Softcore Niveau und Kinski scheint das vor der Kamera noch zu genießen[3]. Arielle Dombasle erinnerte sich, laut einem Interview in einer französischen Zeitung nur ungern an die Dreharbeiten.
Der totalen Unterwürfigkeit der O stellt Terayama einen Nebenplot entgegen, der sich um die Emanzipation eines jungen Chinesen (Kenichi Nakamura), der unbedingt mit O schlafen will, sich aber dies nicht leisten kann und sich des Geldes wegen einer kommunistischen Rebellengruppe anschließt. Ihm und O gehört die Zukunft, deswegen wird er von Sir Stephan erschossen, nachdem Nathalie ihn verlassen hat.Der Film versinkt in Symbolen, was ihn aber mit seinem langsam dahinfließenden, an Malles Pretty Baby erinnerndem ruhigen Fortschreiten sein besonderes Flair schenkt, sinnigerweise assoziiere ich die Machart auf eine eigentümliche Art noch mit Paul Schraders Katzenmenschen . Allen angestellten Damen in Madame (Pitâ – einem japanischen Travestiekünstler) haben ihre eigene Geschichte, aber was der immer wieder auftauchende (im wörtlichem Sinne) Konzertflügel soll, habe ich nicht verstanden. Terayama steht politisch links, weswegen die antikoloniale Ausrichtung des Films, Frankreich verlor ja in den 30 Jahren davor auch große Teile seiner Kolonien.
Aber das Haupt Verkaufsargument dieses Filmes war natürlich Klaus Kinski, mit seinem Symbolismus und dem melancholischem Ende mit der Frage, was denn Freiheit nun wirklich bedeutet ist er kein einfach zugänglich Film, der einzige sympathische Charakter für mich war Nathalie, weil sie einfach dieses Subjekt Sir Stephan verlassen hat, nachdem sie sein wahres selbst erkannt hat.
[1] Nein, meine Eltern haben nicht aktiv versucht ihr Kind vor solchen „Perversionen“ zu schützen, das war der Tenor den ich als kindlicher Zeitungsleser (Süddeutsche, Spiegel, Stern, GEO) und dem Schulunterricht (nicht Religion!) entnehmen konnte. Allerdings verwechselte ich den Autor mit einem Mitglied alten preußischen Dienstadels (Generäle vom Schlesischen Kriege bis zum 2. Weltkrieg), dessen Prinz von Homburg auch im Bücher, bzw. Plattenregal (Henze) stand.
[2] Wenn sie schon 50 Shades of Gray als billige Kopie dieses bezeichnet.
[3] Bei ihm weiß man ja nie, wo das Schauspielen endet und das Leben beginnt, was ja noch durch entsprechende Vorwürfe seiner anderen Tochter verstärkt wird.
IMDB-Link: https://www.imdb.com/title/tt0082422/reference/
Die Indexierung befindet sich hier: https://verfuehrungzumfilm.wixsite.com/exkursionen/post/the-kid-from-spain