(Japan 1934)
Wenn man diesen Film sieht, muß man gleich an kulturelle Apropiation denken oder doch an amerikanischen Kulturimperialismus? In der mir vorliegenden Fassung – der Film ist nie in Deutschland gelaufen - übersetzt der englischsprachige Untertitel den japanischen Titel mit Romatic and Crazy, CGTP, dem ich da etwas mehr traue als Google Translate, hingegen schlägt die Legende des trunkenen Tigers der Jugend vor. Allerdings haben Regisseur Yamamoto und Hauptdarsteller Enomoto eine ganze Reihe von Filmen gemacht, die alle Enoken im Titel tragen und der Held Enoken heißt.Und gleich nach dem Titel sieht man junge Sportlerinnen durch die grünen Hügel laufen und die Musik dazu, die kann man kennen, wenn man frühe Busby Berkeley Filme gesehen hat, denn das, was der jugendliche Sänger dazu singt, ist Yes, yes, my Baby said yes, yes aus Palmy Days. Das gleich die nächste Szene in einem Internatsbau, der wie ein College Raum mit seinen und den Wänden hängenden Wimpeln, wie wir sie aus all den College-filmen[1] der 1930er kennen, spielt und der Sänger einem Song aus Whoopee! (my Baby just cares for me) anstimmt verwundert einen dann nicht mehr, wirft aber Fragen über die Rezeption Hollywoods zu diesem Zeitpunkt in Japan auf.
Enoken ist wohl eine Figur wie Eddie Cantors Eddie, der von einer komischen Situation in die nächste stolpert, denn hier könnte er aus der nächsten bedrohlichen, der eines Studenten in einem Dameninternatsschlafgebäude wohl auch gleich wie Eddie Cantor in The Kid from Spain auch gleich mit „Yes, I'm a naughty girl“ weitermachen um vom College zu fliegen. Aber der Film geht dann doch in eine völlig andere Richtung weiter, Enoken stolpert nach oben, wobei der Film auch noch The Cocanuts und The Cuckoos zitiert. Aber man ist nicht auf Hollywood fixiert, bei der Hochzeit Enokens mit Machiko (Sachiko Chiba) ertönt dann Liebling, mein Herz lässt Dich grüßen, so frisch aus dem UFA-Tonfilm Die Drei von der Tankstelle. Und am Schluss spielt dann noch das Orchester Das muss ein Stück vom Himmel sein aus Der Kongress tanzt. Japan versuchte zu diesem Zeitpunkt sich noch auch kulturell am Westen zu orientieren[2]
Auch in Japan waren höhere Schulen nur für die Schüler offen, die es sich leisten konnten, und zwar, wie der Film zeigt nicht nur intellektuell. Der Held und seine Freunde sind dafür gute Beispiele, dennoch sind sie die Sympathieträger in diesem Film, der auch immer noch den traditionellen Respekt gegenüber den Eltern hochhält, mit einer minimalen Dosis Subversität, aber wir sind ja hier noch in einem Japan, in dem das Militär noch nicht erfolglos gegen die eigene Regierung einen Staatsstreich versucht hat und noch ein paar Jahre vergehen sollten, bis es zu größeren militärischen Zusammenstößen mit chinesischen Truppen kommen sollte.
Interessant ist, das die Übernahme von westlichen Schlagern in Ostasien nicht unbekannt war, vor knapp 30 Jahren schlenderte ich durch eine Ausstellung über Schanghai durch die Villa Stuck, als mir von einem Bildschirm eine Melodie entgegen kam, die ich kannte, weil ich die entsprechende Schellackplatte in meinem Besitz hatte: Rudy Vallees Betty Coed , bloß dass sie auf Kantonesisch gesungen wurde, in einem in Shanghai produzierten Film für den chinesischen Markt. Leider war der Ausstellung nicht zu entnehmen, wie denn dieser Film hieß.
Regisseur Kajiro Yamamoto ist uns hier schon einmal untergekommen, auch dieser andere Film begann auf einem Internat, allerdings ging es da um den japanischen Seeoffizier, der die Grundlage für den äußerst erfolgreichen Einstieg des japanischen Kaiserreichs in den zweiten Weltkrieg, wie er in dem Propagandafilm The Battle of Pearl Habor and the Malay Coast glorifiziert wurde.Yamamoto begann seine Karriere in den frühen 1920ern mit Stummfilmen, die in Japan weit länger als in Hollywood produziert wurden, wechselte dann zu Photo Chemical Labatories, noch bevor dieses Studio in Toho 1935 aufging. Er selbst blieb lange im Geschäft, in 17 seiner Filme war Akira Kurosawa sein Regieassistent und er gilt als der Entdecker von Torisho Mifune.
[1] Leider sind die für den Vergleich wichtigen Filme wie Good News von 1930 nur noch in Fragmenten erhalten, aber man kann ja immer noch mit College Rhythm vergleichen. Ein Vergleich mit Filmen der Freed Unit von MGM, dass nach dem zweiten Weltkrieg sich dieser Stoffe noch einmal annahm verbietet sich ob des dazwischen liegenden Weltkrieges und der Weiterentwicklung des Musicals seit den 1940er Jahren (Stichwort book-musical – im Gegensatz zur bis dahin üblichen Revue, wo der Plot nur als Wäscheleine für die Nummern diente).
[2] Etwas, was man im als rassistisch interpretierten zweiten Weltkrieg dann komplett aufgab, wie man an der Behandlung von Kriegsgefangenen (siehe Die Brücke am Kwai) dann sehen konnte.
IMDB-Link:https://www.imdb.com/title/tt8178402/reference/
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