(UK 1954)
Und wenn der Krieg vorbei ist, dann muss man der Welt erklären, wie es denn wirklich war. Der Journalist Nicholas Monsarrat war als Mitglied der Reserve der Royal Navy und begeisterter Segler 1939 als Reserveoffizier auf eine Korvette abkommandiert worden, auf der er an der Atlantikschlacht teilnahm. Über seine Erfahrungen dort schrieb er mehrere Bücher, das erste noch während des Krieges, 1946 nahm er seien Abschied und widmete sich voll und ganz der Schriftstellerei. 1951 wurde die Vorlage dieses Filmes veröffentlicht, das Drehbuch schrieb Erich Ambler[1], die Regie führte Charles Frend. Der große Atlantik ist ein eigentlich verharmlosender Titel, im Original heißt er The Cruel Sea, also das grausame Meer.
Hans Zöeberlein nannte sein Glauben an Deutschland ein Kriegserleben, und irgendwie passt dieses Wort auch sehr gut zu diesem Film[2].
Kriegsfilme über das Heer stellen immer eine kleine Gruppe von Männern in die Mitte, man denke nur an The Big Red One oder Im Westen nichts neues oder an Platoon, der die kleinste taktische Einheit der Infanterie bereits im Titel führt. Schiffe haben da den Nachteil, dass auch die kleinsten Einheiten abseits von Schnellbooten (siehe Torpedoboote for Batan) Besatzungen haben, die ein paar Dutzend Mann umfassen, weswegen der Fokus da meistens immer auf das Führungspersonal gerichtet ist. Die hier erstmal im Zentrum stehende Korvette hatte eine Besatzung von 85 Mann.
Für Kriegsschiffe langsam war dieser Typ zwar schnell genug um einem getauchten U-Boot gerade noch davonfahren zu können, aber mit 16 Knoten war es für jedes U-Boot an der Oberfläche kein Problem sich von diesen U-Bootjägern abzusetzen. Aber ein sich absetzendes U-Boot kann einem Convoy nicht gefährlich werden. 1917 war es den deutschen U-Booten gelungen die englische Seeversorgung ernsthaft in Gefahr zu bringen – Frachter gingen schneller verloren, als dass neue von den Werften gebaut werden konnten, entsprechend hatte sich die Royal Navy auf die Bedrohung vorbereitet, dennoch wurde es ein harter Kampf, die Atlantikschlacht kostete über 100.000 Menschen das Leben, für jedes versenkte U-Boot sanken etwa viereinhalb Frachter oder Geleitschiffe, denn Frachter konnte man am besten schützen, wenn sie in einem Geleitzug fuhren, der von U-Bootjagschifen wie den Korvetten oder Zerstörern gesichert wurden.
U-boote kann man, wenn sie getaucht sind, nicht sehen, man kann sie nur hören, entweder passiv über ihre Betriebsgeräusche oder aktiv als Echo eines Schallimpulses, dem berühmten Ping des Sonars, oder wie es bei den Briten hieß, ASDIC. Zur Bekämpfung eines U-Bootes konnte man es versuchen zu rammen, wenn es nur knapp unter der Wasseroberfläche lag oder aber mit Wasserbomben, sehr zur Freude der Meeresfauna, bekämpfen. Eine Explosion von ein paar Dutzend Kilo Sprengstoff in nur wenigen Metern Abstand von der Druckhülle eines U-Bootes führte zu zumindest schweren Schäden an diesem oder gar zu dessen Vernichtung. Im Film wird uns Zuschauern dies noch einmal erklärend vor Auge geführt, denn es ist immer praktisch wenn dem Zuschauer eine Identifikationsfigur geboten wird, die diese Erklärungen benötigt
.Der Film beginnt mit einem Monolog eines Erzählers, der uns den waren Bösewicht des Filmes vorstellt – den Nordatlantik, gegen den alle ankämpfen müssen, Freund wie Feind.
Der junge Journalist Unterleutnant Lockhart (Donald Sinden), gerade vier Wochen im Besitz seines Offizierspatents, wird mit einem Kollegen, einem Rechtsanwalt, auf die neue Korvette Compass Rose versetzt, die Unter dem Kommando eines bislang in der Handelsmarine tätigen Kapitäns Ericson (Jack Hawkins) abgeordnet. Dessen erster Offizier ist auch erst seit ein paar Wochen Offizier, eigentlich ist er Autohändler und vor allem eine Leuteschinder, doch bereits während der letzten Übungsfahrt, bevor das Schiff seinen ersten Einsatz fahren soll, fällt der aus medizinischen Gründen aus und Lockhart wird zum ersten Offizier ernannt, weil er sich in Ericssons Augen nicht zu blöd angestellt hat.
Man übersteht die ersten Convoyeinsätze, obwohl bisweilen Frachter aus den Convoys versenkt werden. Auch wenn der Film hauptsächlich auf See spielt, der Heimathafen wird von der Luftwaffe bombardiert, wobei auch die Schwester eines Maschinisten stirbt, die die Verlobte eines seiner Kameraden war. Aber auch andere Beziehungen zerbrechen, die Ehe des Rechtsanwaltes geht in die Brüche, Lockhart will sich nicht binden, denn er weiß, mit welcher Bedrohung er lebt, das weiß zwar auch seine Freundin (Virginia MacKenna), die im Kartenraum der Convoyleitstelle arbeitet und tatsächlich jede Verlustmeldung fast in Echtzeit mitbekommt. Aber im Krieg muss man hart sein, wenn man überleben will. Und genau das führt uns der Film nach einer knappen Stunde exemplarisch vor. Ein Convoy von Liverpool nach Gibraltar fällt einem Wolfsrudel[3] zum Opfer und an Bord der Compass Rose ist man sich sicher, dass sich ein U-Boot genau unter einer Gruppe Schiffbrüchiger befindet. Ja, man feuert die Wasserbomben genau in die Gruppe, aber es steigt kein Öl auf. Von Teilen der eigenen Besatzung wird der Kapitän als verdammter Mörder beschimpft, überlebende Kapitäne von Versenkten Schiffen, die man zuvor aus dem Wasser gezogen hat, verstehen den Angriff – es ist halt Krieg
.Bei einem anderen Convoyeinsatz wird dann plötzlich die Compas Rose versenkt, nur zwei kleine Schlauchboote mit einer Handvoll überlebenden wird gerettet, darunter auch der Kapitän und die Offiziere.
Ericson wird ein neues Kommando angeboten, Lockhart eine eigenes oder er kann bei dem jetzt zum Verbandschef beförderten Ericson auf einem größerem Schiff weiterhin als Erster Offizier dienen – mit der Folge, dass er dann wohl nie ein eigenes Kommando bekommen würde, da er aber da nicht Karriere machen will, ist dies ihm egal.
Das neue Einsatzgebiet für das größere Schiff mit bessere Flakbewaffnung sind die Convoys nach Murmansk, wo man sich nicht nur mit U-Booten, sondern auch mit der Luftwaffe herumschlagen muss[4]. Und wieder jagt man ein U-Boot, aber dessen Kapitän ist gut, Lockhart gerät über die Frage ob man sich seine Niederlage gegenüber dem U-Boot eingestehen sollte, mit Ericson in heftigen Streit, aber beide verstehen die Ansichten ihres jeweiligen Kontrahenten, bis die Sonarabteilung plötzlich ein U-Boot entdeckt. Man greift an, und von Wasserbomben beschädigt, taucht das U-Boot auf und als man Bewegungen auf der Brücke wahrnimmt, eröffnet man mit der Rohrartillerie das Feuer. Schwer getroffen springt die Besatzung Überbord und wird als Schiffbrüchige an Bord genommen, wobei erstmal alle Feindschaft vergessen ist. Dann ist der Krieg vorbei und der U-Bootjäger wirft im Hafen Anker, während die Besatzung ihre Blicke über die deutschen U-Boote, die sich ergeben haben, schweifen lässt.
Ja, dieser Film ist keine 10 Jahre nach dem Krieg gedreht worden, aber immer noch sind ein paar typische Propagandaspuren enthalten. So ist die erste Reaktion des Deutschen nach dem Auftauchen und dem Eröffnen des Feuers durch die Engländer die Montage eines Maschinengewehres auf der Brüstung auf der offenen Brücke. Es ist typische Propaganda, dass Deutsche schwimmende Schiffbrüchige mit Maschinengewehrfeuer ermordet haben, die wohl ihren Ursprung im Umgang mit Q-Boats im ersten Weltkrieg haben, Maschinengewehre (im Bild ist erkennbar, dass es sich um ein britisches Lewis handelt) zur Enterabwehr waren nicht an Bord, für die Abwehr von Flugzeugen verwendete man Maschinenkanonen vom Kaliber 20 mm, wenn nicht gleich 3,7 cm.
Im Vereinigtem Königreich gilt dieser Film als die beste Darstellung der Atlantikschlacht aus der Sicht des „normalen“ Menschen. Was es für die Matrosen auf den Handelsschiffen bedeutete, zeigen Filme wie Der Lange Weg nach Cardiff, obwohl der sich nur der ersten Kriegsmonate annimmt. Mit Einsatz im Nordatlantik undU-Boote Westwärts gibt es natürlich auch von den aktiv dort am Krieg beteiligten zwei reine Propagandafilme die jeweils ihre Sichtweise auf den Krieg vertreten.
Zumindest hier in diesem Film hat man aber den Vorteil, wie auch in Panzerschiff Graf Spee, dass man für die Kulissen echtes Material verwenden konnte, im Gegensatz zu Versenkt die Bismarck vermied man es hier den Gegner als führerhuldigenden Herrenmenschenvierschnitt darzustellen. Nicht den Gegner zu zeigen nimmt die Gefahr der Entmenschlichung. Ericson stellt das in seinem Streit mit Lockhart vor der Versenkung des zweiten U-Boots noch explizit heraus, nur um dann sich selbst in seiner harten Antwort mit dem „Feuereinstellen“ und Rettungsnetze ausbringen zu widersprechen. Der persönliche Krieg kann, wenn die wahrgenomme Gefahr vorbei ist sehr schnell vorbei sein. Dennoch ist anzunehmen, dass die Alpträume bleiben.
[1] Sein Von Agenten gejagt wurde von Orson Welles verfilmt, andere seiner Thriller waren auch Spion im Orientexpress undDie Maske des Dimitrios.
[2] Und natürlich auch zu Buchheims Das Boot.
[3] Eine Gruppe von U-Booten. Die auf einen Convoy angesetzt wurde. Durch die Anzahl der U-Boote soll das Geleit überfordert werden. Ein durch ein U-Boot beschäftigtes Geleitfahrzeug kann nicht auf andere Jagd machen, die sich die Handelsschiffe vornehmen. Viele Wölfe sind des Hundes Tod.
[4] Der Convoy PQ-17 auf dieser Strecke gilt als der Convoy mit den größten Verlusten überhaupt. Von 35 Schiffen erreichten nur 12 ihr Ziel.
IMDB Link: https://www.imdb.com/title/tt0045659/reference/
Die Indexierung befindet sich hier: https://verfuehrungzumfilm.wixsite.com/exkursionen/post/jane-b-wie-birkin