(Deutschland 2019)
Manchmal wird es absurd – da wird von einem deutschen Film geschwärmt, der auch vom Öffentlich-Rechtlichem koproduziert wurde, aber dann ist er in den Mediatheken nicht mehr aufzutreiben – abgesehen von der russischen Fassung. Passt irgendwie zu einem Studentenkurzfilm der nur durch Glück auf Spielfilmlänge gebracht werden konnte und dann einfach so den wichtigsten deutschen Nachwuchsfilmpreis, den Max-Ophülspreis zurecht gewonnen hat.In einem heute absolut archaischem frühen Tonfilmformat 1,3 zu 1 gedreht, begegnen wir unserer Protagonistin, einer modernen jungen Dame (Marie Rathscheck[1]), die sich und ihre Situation selbst kommentierend vorstellt: In einer Großstadt, wohl Berlin, braucht sie ein Quartier und eine Idee, die ihre Schreibblockade löst. Gut, Quartiere kann man als hübsche Frau immer finden, das hat uns bereits Val Lewton in seinem Roman, No Bed of her Own während der Weltwirtschaftskrise erzählt und kein Zimmer zu haben ist filmisch auch nichts neues, man Denke nur an Käthe von Nagy in Ich bei Tag und Du bei Nacht oder Margueite Churchill in Girl without a Room, doch dies ist nicht mehr das Berlin aus Symphonie einer Großstadt, sonder eher das aus R.P. Kahls Bedways, wo sich die gesellschaftliche Situation radikal geändert hat.
Ähnlich wie Godard in Das Leben der Nana S. gliedert Regisseurin Susanne Heinrich ihr poetisches Charakterbild in 14 einzelnen vignettenhafte Kapitel, die die Absurdität des modernen Lebens mit den gesellschaftlichen Ansprüchen an eine moderne Frau aufzeigen. Jede Vignette ist mit einer Überschrift versehen und mit einem sehr statischem Setup gefilmt in dem die thesenhafte Überschrift ausgeleuchtet wird. Dabei wird in jeder Sekunde klar, dass diese artifiziell Szenen reine Fiktionen sind, dass die Personen Symbole sind, was durch die Emotionslosigkeit und Distanz der Schauspieler in den Settings, die in ihrer Farbigkeit einerseits and das MGM Three Strip Technicolor der Freed-Unit in Musicals wie Give a Girl a Break erinnert, aber trotzdem auch an die Nüchternheit eines Industriefilms wie Das Lied vom Styrol.
Ja, unsere Heldin fühlt sich am falschen Ort, wenn sie in einem von furchtbaren Stereotypen triefenden Werbespott auftreten muss[2] oder wenn sie als nichtschwangere Nichtmutter plötzlich in einem Mutter-Kind Kurs landet und sie weiß, oder behauptet es zumindest, dass ihr Körper ein Kampfgebiet ist, das ihr selbst gar nicht gehört. Vielleicht hat sie damit sogar recht, mit ihren pessimistischen Äußerungen über die Sinnlosigkeit des modernen „kapitalistischen“ Selbstausbeutens spricht sie mir jedenfalls aus dem Herzen. Ja, ich bin einer dieser enttäuschten Romantiker[3], der sich durchaus in einigen der männlichen Figuren auf der Leinwand wiederfinden kann. Vielleicht ist das der Grund, warum einige nichts mit diesem Film anfangen können.Nein, eine Handlung im klassischen Sinn gibt es nicht, und das reibt uns die Protagonistin sehr schnell unter die Nase, aber genau das ist es, was diesen Film aus der Masse der üblichen deutschen Produktionen heraushebt, hier hat jemand Visionen, wie sein Werk auszusehen hat und kein Förderungsgremium pfuscht da rein. Leider schaffte der Film es nicht auch noch auf die Auswahlliste für den deutschen Filmpreis zu gelangen.
[1] Bislang nur in kleineren Rollen in deutschen TV-Serien und einem spanischem Fernsehfilm aufgetreten.
[2] Wenn mir eine Frau mit derartigem, von der Regie geforderten Gesten und Grimassen, eine erotische Reaktion entlocken möchte, widme ich mich der Getränkekarte. Es spricht nicht viel für uns Männer, wenn von uns solche selbst erniedrigende Gesten gefordert werden.
[3] Danke für diese Definition des Zynikers.
IMDB-Link: https://www.imdb.com/title/tt6353076/reference/
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