Der Militärpolizist und die verstümmelte Schöne

(Japan 1957) 

1957 war der zweite Westkrieg seit zwölf Jahren vorbei, aber 20 Jahre zuvor, 1937, führte Japan schon Krieg in China und die Mandschurei war de facto eine japanische Provinz, in der regelmäßig Teile der japanischen Armee stationiert waren. Japan war auch kulturell von Europa Welten entfernt, doch die Basis menschlicher Beziehungen und der Kräfte dahinter unterscheiden sich kaum von dem uns heute bekannten. Verschiedene Polizeiorganisationen bekriegten sich untereinander genauso wie bei uns im Westen und konnten sich damit regelmäßig gewaltig gegenseitig im Wege stehen[1].

 Dieser Film zeigt uns zuerst Täter und Opfer, und nennt uns den Grund für den Mord, er hat sie geschwängert, doch er will eigentlich eine bessere Partie machen und in der nächsten Szene wird ein Teil ihrer Leiche in der Trinkwasserquelle der Kaserne gefunden, nach dem sich ein paar Rekruten über den Geschmack des stinkenden Wassers zu beschweren gewagt haben. Ja, die kaiserliche Armee kommt nicht gut weg in diesem Film, ihre Offiziere sind stur, brutal und nicht sonderlich intelligent, und die stumpfe Brutalität setzt sich auch nach unten zu den Mannschaften durch. 

Nein, da das Opfer nicht Soldat war, darf natürlich auch die zivile Polizei ermitteln, aber wehe, sie betritt dabei militärisches Gelände, wir haben einen Verdächtigen, der Inhalt der Lager auf dem Schwarzmarkt verkauft und den erzielten Gewinn im Bordell auf den Kopf haut und dessen Freundin angeblich jetzt in einer anderen Stadt arbeitet, gut, wir werden sein Mordgeständnis noch aus ihm heraus prügeln. Dem von Tokio abkommandierten Militärpolizisten Stabsfeldwebel Kosaka (Shôji Nakayama) erscheint diese Methode nicht zielführend und er setzt auf moderne Ermittlungsmethoden und Kooperation mit der örtlichen Polizei, dass er dabei noch eine Frau (Junko Ebata), die ältere Schwester seines Assistenten, fürs Leben findet[2], ist nur ein Nebeneffekt seiner Ermittlungen. 

Man merkt dem Film an, dass er nach einem katastrophal verlorenen Krieg gedreht worden ist, zu sehr wird die Dummheit und Überheblichkeit der Armee in den Vordergrund gerückt, die den Krieg mit China ja ohne Rückendeckung durch die politische Führung [3]vom Zaun gebrochen hat, nicht umsonst scheiterte in Tokio 1936 ein Militärputsch -  man denke an Patriotismus, und der Marineminister Yamamoto zog sich als Oberbefehlshaber der Marine auf sein Flaggschiff zurück. Filmisch schwankt der Film zwischen einem klassischem Polizeifilm über normale Ermittlungen, das große Rätsel ist nicht so sehr, wer der Täter ist, sondern wer das Opfer war, und da streift er bisweilen über den deutschen Expressionismus schon ein wenig in den Gruselfilm ab. Robert van Gulik übertrug – übersetzen will ich das jetzt nicht nennen – die Fälle des chinesischen Richter Diis ins Europäische[4] und bei diesen kommt, und er bemerkt das auch regelmäßig in seinen Anmerkungen - eine jenseitige, übersinnliche Komponente ins Spiel, und genau so eine ist auch bei diesem Film spürbar, ja, der Ermittler weiß, was er dem Geist der Ermordeten schuldig ist und der bedankt sich scheinbar mit Denkanstößen.


[1] zum Glück waren es in diesem Fall nicht Armee und Marine, das hätte auch zu einem Film wie Lady Snow Blood führen können. 

[2] Wie das mit Ehen bei Militärangehörigen funktionieren kann, kann man durch europäische Augen bei Belasco sehen, man denke an Harakiri oder Madame Butterfly, oder in der Autobiographie von Kapitän Tameichi Hara, Japanese Destroyer Captain, Anapolis 1967. 

[3] Die genehmigte die Aktionen im Nachhinein, um nicht als unfähig und schwach dazustehen, ähnlich wie der C-Waffeneinsatz durch russisches Militär in der Tom-Clancy-Verfilmung Der Anschlag auch der russische Präsident handelt, bevor dann doch kein atomarer Dritter Weltkrieg versehentlich ausbricht. 

[4] Ich habe sie auf Deutsch gelesen, aber ich gehe davon aus, dass er sie auf niederländisch geschrieben hat. 

IMDB-Link: https://www.imdb.com/title/tt0230408/reference/ 

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