(UK 1949)
Wenn man von diesen Film hört, denkt man automatisch an Orson Welles, denn es ist einer seiner bekanntesten Filme. Aber mit nur einem Augenblick des Nachdenkens fährt einem die Erkenntniss in den Sinn, dass dieser Film Noir gar nicht von ihm ist, sondern eine britische Produktion aus der Zeit, als das alte British Empire in Trümmer zu fallen begann. Und dieses Gefühl des Abschiednehmens gibt dem Film seine ganze Ausstrahlung.
Kann man sich einen besseren Ort für so eine Handlung denken, als die Stadt, die den Abschied von ehemaliger Größe zu ihrem Verkaufselement Nummer Eins gemacht hat, Wien, die ehemalige Hauptstadt des Habsburgerreiches, das sich von Italien und dem Inn, entlang der Adriaküste, bis in die heute östliche Ukraine erstreckte und über ein knappes Dreivierteljahrhundert auf ein kleines Gebiet geschrumpft wurde, nur um dann vom großen Nachbarn im Norden geschluckt zu werden und in dessen Wahnsinn mit herein gerissen zu werden.
Nun, in dieses Elend stolpert der amerikanische Schundautor Hollis Martin (Joseph Cotton), als er beinahe pleite von seinem alten Freund Harry Lime (Orson Welles) eingeladen wird, doch bei seiner Ankunft heißt es, Lime sei gerade verstorben und Major Calloway (Trevor Howard) weiß, dass der Verstorbene eine Größe im Wiener Schwarzmarkt war, hinter dem nicht nur er als Vertreter der britischen Polizei her war. Martin, obwohl er regelmäßig als Sündenbock für Limes Streiche gedient hat, lässt nichts auf seinen Freund kommen, und das was er von Limes örtlichen Freunden erfährt, lässt ihn glauben, dass bei dem Verbrechen nicht alles so zuging, wie man es der Polizei glauben machen wollte, denn da war noch ein dritter Mann am Tatort und Limes Freundin Anna Schmid (Alida Valli) zieht es vor, unterzutauchen, da sie eigentlich auf die östliche Seite des Eisernen Vorhanges repatriiert werden sollte. Hollis, der kein Wort Deutsch spricht [1], sucht Erkenntnis und muss dann Abschied von alten Gewissheiten nehmen, als er erkennt, dass auch diesmal er nur Harry Limes Sündenbock seien sollte, da der mit dem Strecken von Antibiotika zu weit gegangen ist.
Orson Welles schrieb seine großen Kuckucksuhr Monolog selbst, aber dafür sind die Finger, die aus dem Gullydeckel hervorragen die des Regisseurs Carol Reed. Dieser erzeugte mit schrägen Kamerawinkeln ein Gefühl von Unsicherheit für den Zuschauer, da diesem so signalisiert wird, dass nicht alles so gerade ist, wie es den Anschein macht, denn der Autor Graham Greene, dessen einziges Drehbuch dieser Film war, mochte keine zu glatten Stories.
Der Film ist ein Film über das Abschiednehmen von Überzeugungen und Freundschaften. Wie am Ende, nach der tatsächlichen Beerdigung von Harry Lime, Anna Schmid Hollis Martins in einem langen Take einfach stehen lässt und an der Kamera vorbei geht, verdeutlicht dies.
Die deutsche Schauspieler konnten zum Teil, wie Paul Hörbiger, kein Wort Englisch und mussten alle ihre Texte phonetisch lernen, einer der Gründe warum man sich diesen Film im Original ansehen sollte[2].
Die Hauptdarstellerin Alida Valli war ein typisches Beispiel der „Konkursmasse Österreich-Ungarn“, als Tochter eines Adeligen in Dalmatien (ehemalig Venezianisches Gebiet) geboren, in Italien erzogen und dort auch in den späten 1930ern zum Star geworden, konnte sie ihre Karriere nach Kriegsende in Europa fortsetzen.
[1] In der deutschen Synchronfassung wird das klar gemacht, dass alle össterreichischen Schauspieler betont mit österreichischem Akzent sprechen, während alles im Orginal Englischem zu reinstem Hochdeutsch wird, sozusagen Piefkes in Wien.
[2] Am besten bemerkbar, wenn der kleine Junge beim Auffinden einer Leiche etwas von einem Herrn im Anzug zu erzählen beginnt, das eindeutig auf Hollis bezogen werden kann, der in der Menge steht, und dies von Anna sofort realisiert wird und sie ihn deswegen zum Gehen nötigt und er absolut nicht versteht warum.
IMDB-Link: https://www.imdb.com/title/tt0041959/reference/
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